Wie Pseudo-Gefühle uns Schwierigkeiten einhandeln
21. Dezember 2020Wie Sie bitten ohne zu fordern
4. Januar 2021„Ich habe das Bedürfnis, spazieren zu gehen.“
„Mein Bedürfnis ist es, mich zurückzuziehen.“
„Ich habe das Bedürfnis, mit Dir zu sprechen“
Kommen Ihnen solche Sätze vertraut vor? In diesem Artikel erkläre ich, dass in keinem dieser Ausdrücke ein Bedürfnis benannt wird.
Bedürfnisse spiegeln den allgemeinen Bedarf dessen wider, was wir im Leben brauchen. Sie sind universell, das heißt, jeder Mensch hat die gleichen Bedürfnisse. Ein Bedürfnis wird positiv sowie in einem Wort ausgedrückt und bezieht sich weder auf eine Person, noch auf eine konkrete Handlung. Beispiele für Bedürfnisse sind: Kontakt, Autonomie, Sicherheit, Nahrung, Erholung.
In meinem letzten Blog-Artikel habe ich bereits erwähnt, dass Gefühle Hinweise auf Bedürfnisse liefern. Eher „unangenehme“ Gefühle entstehen, wenn Bedürfnisse nicht erfüllt sind, eher „angenehme“ Gefühle entstehen, wenn Bedürfnisse erfüllt sind. Bedürfnisse, bzw. deren „Erfüllungsgrad“ sind damit die Ursache für unsere Gefühle und von dem Auslöser (einer Situation, der Handlung einer anderen Person) zu unterscheiden. Eine andere Person ist damit niemals verantwortlich für meine Gefühle. Ihr Verhalten kann lediglich ein Gefühl bei mir auslösen.
Bedürfnisse werden von Strategien unterschieden. Strategien sind die Handlungen, mit denen wir uns unsere Bedürfnisse erfüllen. An dieser Stelle wird deutlich, dass die Sätze am Beginn dieses Artikels Strategien benennen. Während alle Menschen die gleichen Bedürfnisse haben, wenden sie unterschiedliche Strategien an, um diese zu erfüllen. Alle Menschen haben z.B. das Bedürfnis nach Sicherheit. Der eine schließt einen Bausparvertrag ab, um das Bedürfnis zu erfüllen, ein anderer lässt ein Sicherheitsschloss an seiner Haustür anbringen und wieder ein anderer besucht regelmäßig Allgemein- und Fachärzte zu Vorsorgeuntersuchungen.
Ein Spaziergang kann z.B. das Bedürfnis nach Bewegung, Entspannung oder Abwechslung erfüllen.
Konflikte und Streitigkeiten entstehen stets auf der Ebene von Strategien, über die Uneinigkeit herrscht. Auf der Ebene von Bedürfnissen ist kein Konflikt möglich, da jeder Mensch diese universellen Anliegen nachvollziehen kann und bejaht. Es wird also kaum einen Streit darüber geben, ob Sicherheit wichtig ist, sondern lediglich darüber, welche Maßnahmen zur Erlangung von Sicherheit zu treffen sind. Die Idee eines wertschätzenden Miteinanders ist es daher, im Austausch von der Ebene der Strategien, auf der der Konflikt entstanden ist, auf die Ebene der Bedürfnisse zurückzukehren und sich auf dieser zunächst zu verbinden und zu einigen. Die Wahl geeigneter Strategien, die für beide Parteien zufriedenstellend sind, fällt dann viel leichter, scheint oft wie von allein zu geschehen.
Wenn wir unsere Bedürfnisse jedoch indirekt in Form von Vorwürfen, Schuldzuweisungen und Urteilen ausdrücken, dann hört der andere Kritik und neigt dazu, sich zu wehren oder sich zurückzuziehen. Er wird nicht auf unser Bedürfnis eingehen. Wenn ein Partner zum anderen sagt: „Jeden Abend kommst Du so spät nach Hause. Du liebst Deine Arbeit mehr als ich“, dann ist vermutlich sein Bedürfnis nach Nähe / Kontakt / Verbindung nicht erfüllt. Seine Art der Kommunikation wird jedoch eher nicht dazu führen, dass der Partner es in dieser Situation erfüllen wird.
Für einen Austausch über Bedürfnisse ist es zunächst wichtig, die eigenen Bedürfnisse zu spüren und zu erkennen. Dieser Prozess wird Selbstempathie genannt.
Es gibt viele Strategien, um ein und dasselbe Bedürfnis zu erfüllen. Verschiedene Menschen haben unterschiedliche (Lieblings-)Strategien, derselbe Mensch wendet in unterschiedlichen Situationen verschiedene Strategien zur Erfüllung desselben Bedürfnisses an. Für die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse ist jeder selbst verantwortlich. Zur Erfüllung der sozialen Bedürfnisse (Austausch, Kontakt etc.) sind andere Menschen notwendig, doch es liegt an mir, andere angemessen um die Erfüllung meines Bedürfnisses zu bitten, und die Erfüllung hängt nicht an einer konkreten Person. Dass bei einer echten Bitte ein „Nein“ willkommen ist, erkläre ich im nächsten Blog-Artikel. J
Wir machen uns das Leben häufig dadurch schwer, dass wir an unserer Lieblingsstrategie „kleben“. Wenn diese dann nicht durchführbar ist, bleiben wir unzufrieden zurück oder versuchen unser Gegenüber irgendwie dazu zu bringen, die Strategie auszuüben. Eine Selbstklärung (Selbstempathie), welches Bedürfnis der Strategie zugrunde liegt, ist in solch einer Situation hilfreich. Auf der Ebene der Bedürfnisse weitet sich mein Blick und mein Handlungsspielraum vergrößert sich. Mir werden andere Strategien einfallen, das Bedürfnis zu erfüllen. Dieses wird dann vielleicht nicht zu 100% erfüllt, wie bei meiner Lieblingsstrategie, aber mir sind 70% lieber als 0%.
In den nächsten Tagen stelle ich auf meinem Facebook-Profil Übungen vor, um sich mit den eigenen Bedürfnissen zu beschäftigen.
Gerne schicke ich Ihnen meine Bedürfnisliste zu. Kontaktieren Sie mich.